4 Troubadoure unterwegs zu Kindern in einem verlorenen Land
Erzähler ohne Grenzen in Palästina im Februar 2015
Wir fahren durch die Dunkelheit zwischen 3 und 5 Uhr morgens. Unzählige Lichter auf den Hügeln zwischen Bethlehem und Jerusalem und überall links und rechts in der Weite und Nähe. Bis zum Flughafen von Tel Aviv ist das Land nicht ohne menschliche Siedlungen. Hinter uns liegt eine anstrengende Reise durch die palästinensischen besetzten Gebiete und durch Israel, zu unzähligen Kinderherzen.
„In wie viele Kinderaugen haben wir wohl ein Leuchten gezaubert?” fragt Micaela die schweigenden Mitreisenden. „Wie hier im Dunkeln die Lichter!”, antwortet Roana, die aufmerksam am Steuer sitzt. Das kleine Leihauto ist voll mit Gepäck und Erinnerungen von Helga, Roana, Charles und Micaela. Der Abschied voneinander macht ein wenig bange. Doch Freundschaft wird bleiben, ganz sicher.
4 Troubadoure der Erzählkunst durften „ein Band knüpfen” (Roana) zu den Kindern in Palästina zwischen Nordafrika, Europa und Nahost. Wir öffneten gemeinsam vielen Kindern und manchen ihrer Lehrer und Erzieher Fenster und Türen in andere Welten, durch die wir auf den Flügeln der Phantasie mit ihnen reisten. Wir wünschen allen so sehr, dass wir ihnen Flügel verleihen durften, mit denen sie weiter ohne uns solche Reisen unternehmen werden. Denn sie leben innerhalb von Grenzen, die ihnen Einschränkungen, Einseitigkeiten und Demütigungen bereiten. Es sind Grenzen und Beschränkungen in ihrer eigenen Kultur, unterschiedlich bei Mädchen und Jungen, Männern und Frauen, und hohe Mauern, die sich um ihr Land, ihre Herzen und Seelen ziehen. Grenzen in den Köpfen.
„Gib mir meine Freiheit!”
Die letzte Geschichte, die erzählt wurde, klang noch in uns nach. Roana: „Gestern war schön. Ein ganz anderes Gefühl, wenn die Klassen gemischt sind. Das pubertäre Hormonchaos viel präsenter. (In Palästina werden Mädchen und Jungen, außer in christlichen Schulen, wo auch muslimische Kinder lernen, getrennt erzogen.) Auffällig, wie lieb die Lehrerin sich gekümmert hat. Schön, wie der Lehrer von der Klasse, die zuerst kam, übersetzt hat.
Und natürlich ergreifend das Ende mit Charles “Der Kaufmann und der Papagei”. Gib mir meine Freiheit…”
Charles hatte mit dieser Erzählung in einer Schule südlich von Jenin die Tournee begonnen und es war auch seine letzte Geschichte, dieses Mal für Jugendliche der achten Klasse der deutschen protestantischen Schule in Beit Jala, wo palästinensische Mädchen und Jungen zusammen erzogen werden. Die Lehrerin hatte Tränen in den Augen. Es gibt keinen Erwachsenen in diesem Land, der nicht Tag und Nacht mit dem Bewusstsein der Unterdrückung der Rechte und Menschen lebt.
Am Anfang der Tournee übersetzte ein junger Katechismuslehrer Charles aus dem französischen und war plötzlich von der Erzählung so hingerissen, dass aus ihm ein gewaltiges Erzählertalent hervorbrach. Seine Begeisterung sprang auf die vielen Schüler über.
Lasst es weiter reisen, das Wort!
Ja, Erzähler ohne Grenzen waren erfolgreich unterwegs diesseits und jenseits der Mauern. Und wir sind sehr dankbar, dass es gelingen durfte, was wir uns erhofft hatten: Liebe und Freude durch das Wort zu verbreiten und zu empfangen.
Oft hat Charles Aceval die Erzählungen so eingeleitet: “überall wo Menschen sind, lebt das Wort und reist mit ihnen. Und wenn die Menschen längst fort sind, so lebt das Wort weiter und die Erzählungen reisen mit anderen Menschen. So ist das Wort heute zu Euch gekommen. Bewahrt es in Euren Herzen und erzählt es weiter, Euren Geschwistern, Euren Freundinnen und Freunden und Verwandten. Lasst es weiter reisen, das Wort!”
Konkret war es so: Helga Petri, Roana Falkenberg, Charles Aceval und Micaela Sauber waren 12 Tage unterwegs im Westjordanland und in Israel. An 9 Tagen gab es 20 Erzählaufführungen in Schulen und Kulturzentren. Wir erzählten meistens in deutsch oder französisch, Naceur Charles nahm sein algerisches Arabisch manchmal zu Hilfe, manchmal übersetzte jemand ins Arabische, wenn die Fremdsprachenkenntnisse der Kinder gering waren. Geschätzt haben etwa 800 Kinder die Erzählungen erlebt. Oft wurden die Erzählungen für jüngere Kinder mit Bewegungsspiel, mit Bildern und einem herrlichen Teddybär-Kettenkarussel begleitet. Roana blieb noch eine Woche länger, wollte eigentlich Ferien machen, und holte dann allein zwei französische Aufführungen mit dem Bibliobus nach, die zuvor ausgefallen waren, weil bei Sandsturm und starkem Temperatursturz die Schulen in Palästina geschlossen wurden.
Das Deutsch Französische Kulturinstitut — Goethe-Institut und Institut Francais, die in Ramallah ein Haus gemeinsam führen, hatte unsere Tournee organisiert bis auf unser letztes Erzählereignis in der Schule Talitha Kumi in Beit Jala bei Bethlehem. Wir mussten weitere Anfragen von Kindergärten in Jerusalem und christlichen Schulen auf das nächste Jahr vertrösten, weil wir ausgebucht waren. In der deutsch-protestantischen Schule Talitha Kumi wohnten 3 der Troubadoure — Micaela fuhr abends nach Jerusalem und kam morgens wieder zurück, sie schlief bei ihrer Freundin Barbara, einer deutschen Israelin, die mit diesem Quartier und noch manch anderen Entgegenkommen unsere Erzählreise tüchtig unterstützte.
Der schwierige Weg nach Jenin (Dschenin)
Schon der Beginn der Reise war mit Überraschungen verbunden: Das Leihauto kam 2 Stunden zu spät nach Tel Aviv, weil der palästinensische Fahrer am Checkpoint zum Flughafen nicht problemlos durchgelassen wurde. Man benötigt einen Wagen mit Lizenz sowohl für Israel wie für die palästinensischen Gebiete, und den bekommt man nicht am Flughafen, dem einzigen Einreisetor nach Israel. Micaela mietet seit mehreren Jahren bei einer Firma in Ostjerusalem. Der Wagen wurde gegen einen tüchtigen Aufpreis (cash und ohne Quittung) von einem netten Menschen nach Tel Aviv gebracht. Das japanische Auto war dann viel kleiner als gewohnt, dafür nagelneu, und wir mussten uns und unser Gepäck hineinquetschen. Änderung nicht möglich. Wir fuhren viel zu spät los und versuchten uns durchzulavieren, um nach Jenin im Norden des Westjordanlandes zu kommen. Dort war im Guesthouse Cinema Jenin für uns Quartier gebucht. Als wir uns gegen 19 Uhr der Grenze zu den besetzten Gebieten unter palästinensischer Autorität einigermaßen genähert hatten, war der Checkpoint zwischen Israel und Westjordanland im Norden schon geschlossen. Ein Telefonat mit unserer Übersetzerin in Jenin klärte uns darüber auf und sie riet uns, in Afula Quartier zu nehmen, einer israelischen Stadt nördlich dieser Grenze und dann früh am Morgen ins Cinema Jenin zu kommen. Afula war abweisend, die Menschen unfreundlich und das einzige Hotel wirkte schmutzig und nicht im Betrieb. Wir wurden abgewiesen.
Zum Glück, wie wir später feststellten, denn wir landeten in Nazareth, wo Micaela und Helga das schöne Guesthouse SimSim noch vom letzten Jahr kannten. Es war nicht mehr weit bis dorthin und Sami, der Besitzer dieses charmanten kleinen Hostels in der Altstadt von Nazareth hatte noch Betten für uns. Im Winter, wenn wenig Touristen unterwegs sind, ist so etwas möglich. Wir hatten eine erholsame Nacht und fanden am Morgen rechtzeitig die Straße nach Jenin, allerdings erst nach mehrmaligem Fragen.
Denn der Weg zu dieser Stadt im Westjordanland wird erst im letzten Augenblick
angezeigt. Unwillig wurden wir behandelt von Israelis, freundlich bekamen wir den Weg gewiesen von Palästinensern. Das Team hat sich bewährt durch die ersten Widerstände und Prüfungen und die Arbeit als Erzähler ohne Grenzen konnte beginnen.
Die ersten Erzählaufführungen liefen parallel: Helga und Roana erzählten auf deutsch im Cinema Jenin, übersetzt von Marion, einer in Deutschland aufgewachsenen Lehrerin. Roana hielt die Kinder mit Bewegungsspielen in Trapp. Charles und Micaela erzählten französisch in einer katholischen Schule südlich von Jenin. Jenin ist international recht bekannt durch das Freedom Theatre, das gegründet wurde, um Jugendlichen durch Theaterarbeit innere Freiheit zu ermöglichen. Das war eine sehr wirksame Reaktion.
Aus dem Flüchtlingslager Jenin kamen zuvor die meisten Selbstmord-Attentäter. Die Ermordung von Juliano Mer-Khamis, geboren 1958 in Nazareth, Schauspieler, Regisseur und Gründer des Freedom Theatres, am 4. April 2011 vor seinem Theater hinterlässt Schmerz und erinnert an die Ausweglosigkeit in dieser Weltgegend. (https://de.wikipedia.org/wiki/Juliano_Mer-Chamis) Auch zu Jenin: Der Bestseller “Während die Welt schlief” von Susan Bulhawa heißt auf englisch: „Mornings in Jenin”.
Ein Spaziergang durch das Markt-Gewusel der Stadt und ein herrliches arabisches Mittagessen rundeten den Besuch in Jenin ab, bevor wir in unser Quartier in Beit Jala im Süden des Westjordanlandes aufbrachen.
Nicht alles war gut
Insgesamt war alles mit großer Anstrengung und einem wunderbaren Teamgeist gelungen bis auf zwei, ja eigentlich drei bittere Erfahrungen. Ein ehrlicher Bericht soll auch das erwähnen. Eine Veranstaltung war vom Tamer-Institut in Ramallah, einer Organisation, die in ganz Palästina Bibliotheken unterhält, so schlecht organisiert, dass sie ein Reinfall wurde. 200 Kinder waren in einer Schule erschienen und keine Aufsicht half mit ordnender Hand. Ein Sozialarbeiter, ein schöner Mann, ließ sich mehrfach vor vielen Kindern fotografieren — er benötigte anscheinend Fotos für seine Eigenwerbung. Er half erst ein wenig, wollte sich auch mit uns fotografieren lassen, aber dazu kam es nicht, denn er war plötzlich verschwunden. Ein unsäglich lautes und chaotisches Vorprogramm sollte die Kinder wohl einstimmen. Angekündigt war ein palästinensischer Storyteller, den wir als Kollegen so gerne begrüßt hätten, doch das Remmidemmi, das er verursachte, war nicht das, was für uns storytelling bedeutet. Als wir auf die Bühne gerufen wurden, waren Saal und Bühne im Dunkeln. Und da standen wir nun und Micaela musste sich darum kümmern, dass ein Bühnenlicht entzündet wurde. Wir kamen nur bei einem Drittel der Kinder durch, der Rest störte und zerstörte. Dieses letzte Drittel blieb dann noch für 2 Erzählungen.
Wir zogen anschließend verstimmt durch chaotische und schmutzige Randgebiete von Ramallah von dannen. Helga wurde krank. Eine Lebensmittelvergiftung brach durch, ein Arzt musste bemüht werden, es ging ihr gar nicht gut. Sie fehlte uns dann sehr im Team. Am Ende war sie dann wieder dabei und erzählte trotz großer Schwäche.
Eine dritte Erfahrung begleitete uns im Hintergrund, die unsere Friedfertigkeit auf die Probe stellte. Im Vorfeld hatte Micaela sich im Hinblick auf die Herausforderungen bei der Reise von einem Teammitglied getrennt, was Enttäuschung und Unruhe hervorrief.
Der Konflikt, dem wir als Erzähler ohne Grenzen mit Liebe und Frieden in Palästina zu begegnen uns bemühten, war allgegenwärtig.
Wir reisten durch ein Land, das Unterdrückung, Apartheid, bei den Palästinensern viel Chaos und Gewusel, Reichtum und Armut, Gastfreundschaft und Ablehnung, ungesunde Verhältnisse ausdünstet. Seit dem Gaza-Krieg im Sommer 2014 kommen nur noch wenige Touristen, davon fast nur organisierte christliche Gruppen ins Land. In der Altstadt Jerusalems, sonst prall vor Buntheit und Geschäft, ist es recht still geworden.
Viele Hostels und Gästehäuser hatten Absagen und Verlust. An manchen Orten scheint das arabische Leben prall seinen Weg zu gehen wie in Jenin. In Hebrons Altstadt wirkte alles wie in einer Art Agonie. In Jerusalem, am Rand der Altstadt beim Jaffa Tor, wurde Micaela in einem Bistro, das sonst ihr Stammlokal war, gebeten mitzuteilen, wie lange sie zu bleiben gedenke. Man wollte ihr nicht mehr als eine halbe Stunde geben. Alte Leute würden dort abgesetzt von ihren Verwandten, die als Touristen durch die Altstadt schlenderten, und blieben stundenlang und das wolle man nicht. Man sei hier in Palästina und habe sich danach zu richten. Doch wir befanden uns im christlichen Teil der Altstadt Jerusalems, beim Jaffa Tor. Ob die Baskenmütze, die ich in der Art auf dem Kopf trug, wie es ältere jüdische Damen zu tun pflegen, das Vorurteil dieses Menschen verstärkt hatte?
Zum Glück war nebenan ein schönes Restaurant mit gutem Essen und Wein, wo die „alte Dame” sehr willkommen war und auch Vorteil brachte, egal ob bei langem oder kurzem Verweilen. Es gefiel uns hier so gut, dass wir am nächsten Tag sogar unseren Abschiedsabend dort verbrachten.
Heilige Orte — alltäglicher Wahnsinn
Durch Israel und Palästina zu reisen, fordert viel Aufmerksamkeit und Wachheit. Es ist „Heiliges Land” für 3 monotheistische Religionen, doch wo ist Heiligkeit? Die · vielenSchwierigkeiten, Feindseligkeiten, Missverständnisse und die Konfrontation mit Gewalt, Opferhaltung und Hass fordern viel Geduld, um das Anliegen von Erzähler ohne Grenzen zu verwirklichen.
Die vielen Märchen und Geschichten trugen und begleiteten uns wie auch unsere wachsende Freundschaft. Die Schwierigkeiten und Hindernisse, die überraschenden unvorhergesehenen Verhältnisse forderten Verzeihen und Liebe.
Wer in Bussen mit organisierten Reisen durchs Land kommt, heilige Orte besucht und bequem untergebracht ist, erfährt vieles nicht, was den täglichen Wahnsinn zwischen den Menschen und Völkern dort charakterisiert.
Informativ war folgender Hinweis: Die Wasserboiler auf den Dächern der Israelis sind weiß, die bei den Palästinensern schwarz. So kann man massiv und bedrohlich wirkende Siedlungen inmitten des palästinensischen Autonomiegebietes auf Bergen und Hügeln sehen mit weißen Wasserboilern auf den Dächern. Die verschiedenen Straßen, auf denen wir fuhren, zeigen sehr unterschiedliche Qualität. Checkpoints zu israelischen Siedlungen sind großzügig, die Straßen breit, gut und wenig befahren. Der Checkpoint in Kalandia, das Nadelör zwischen Jerusalem und Ramallah: ein Alptraum mit einspurigen Straßen, Umleitungen, Staus, keine Verkehrsregelung. Es soll unangenehm sein und bleiben, sich hier über die Grenze zu wagen. Bewohner der palästinensichen Autonomiegebiete dürfen nur mit besonderen Visa, die selten ausgestellt werden, nach Israel einreisen.
Die verfahrene und fest gefahrene Situation wird fast täglich der Weltöffentlichkeit signalisiert. Sie ruft Polaritäten hervor und einseitiges Pro und Contra. Und Hilflosigkeit. Wir wollen nicht Partei ergreifen, und suchen aus der Hilflosigkeit heraus mit unseren Märchen und Weisheiten im Gepäck einen anderen Weg, der nur von Mensch zu Mensch begangen werden kann. Von Angesicht zu Angesicht.
Alles wirkliche Leben ist Begegnung, sagte Martin Buher und es kommt darauf an, Begegnungen zu ermöglichen, in der Masken fallen und im Menschenantlitz etwas zu leuchten beginnt. Dieses Leuchten ist wirklicher als die Maske des Unglücks, Opfers, des Soldaten, Lehrers oder Hausmeisters, des Touristen oder Tankwartes.
Von Beit Jala nach Izarieh auf der engen palästinensischen, nicht einer guten Siedlerstraße, benötigten wir eineinhalb Stunden für 30 Kilometer, fuhren dabei durch grandiose Berglandschaften, die wie Riesenelefanten mit vielen.Falten sich kalkig auf dem Grund der Erde ausbreiteten. Izarieh ist ein palästine sischer Ort, der durch ei,ne Mauer von seinem Lebensstrom in Ostjerusalem abgetrennt wurde und dadurch verarmte. Der Grund: damit eine große israelische Siedlung, Maale Adumim, seinen Raum bekommt und geschützt ist. Der Ort wirkt verloren, nicht in einem großen Ganzen eingebettet, wo Handel und Leben fließen. Da gibt es eine Mädchenschule, die nicht sehr groß ist, aber streng und gut geführt wird. Ein Monument steht auf dem Marktplatz: Die Form Israels und Palästinas — ein riesiger Schlüssel geht wie ein Schwert hindurch, eine arabische Schrift sagt: Das Ziel ist weit und nah zugleich. Gemeint ist: Palästina ohne Israel.
Wir erzählen in Mädchenschulen von der Freiheit und der Wahrheit, gekleidet in die Gewänder der Märchen. Die Mädchen liebten uns und die beiden französischen jungen Frauen, die den Bibliotheksbus des deutsch-französischen Kulturinstitutes durchs Land kutschieren und Schulen aufsuchen, die keine Bibliotheken besitzen, kamen zu dem Eindruck, dass sie so gerne auch Erzählerinen sein wollten. Audrey schreibt in facebook, 4 Tage, nachdem wir fort sind: „Moi je vous dis a tous les conteurs un grand merci, nous avons partage un tres beau moment avec vous, les enfants chantent et content encore!” (Euch Erzählern sage ich ein großes Dankeschön, denn wir haben sehr schöne Augenblicke miteinander verbracht. Die Kinder singen und erzählen noch immern
In der Pause in Izarieh wollten viele Mädchen mit Charles sprechen und auch am liebsten ihn anfassen (ein Mann!), aber ein hässliches weibliches Geschrei durch einen Lautsprecher verscheuchte sie. „So schön die Poesie der arabischen Sprache, so schlimm ist ihr Schimpfen”, brachte Charles es wieder auf den Punkt.
Er hatte vom Sultan und der alten Frau erzählt — über die Wichtigkeit der kleinen Dinge auch im Dienst für Gott, und auch von Habra der Tochter des Löwen und der unheilbar verletzenden Macht des Wortes, sogar wenn es sorglos in Abwesenheit von Betroffenen ausgesprochen wird. Denn, wer weiß, ob es nicht zu ihm getragen wird. Immer war das Salem-Aleikum-Lied von Charles der Eisbrecher und die rhythmischen fröhlichen Bewegungsmärchen von Roana verbreiteten riesige Freude. Es ist schade, dass der Bibliobus nur selten Jungen-Schulen anfährt. So haben wir nur in den christlichen Schulen auch für Jungen erzählen können und in der deutschen „Freitagsschule”, wo Kinder jeglicher Herkunft im Publikum saßen. In Hebron konnten wir zwei Jungen, die auf der Straße herumlungerten zum Helfen einladen — das taten sie mit Begeisterung, bis Verantwortliche sie zur Erzählveranstaltun hinauswerfen wollten.
Die kleine Laterne
Von der Wanderung eines Märchens, erzählte Micaela den staunendenMädchen. Die Kleine Laterne, ein Märchen des palästinensischen Schriftstellers Ghassan Khanafani, der 1972 mit seiner geliebten Nichte, damals 18jährig, durch eine Autobombe in Beirut ums Leben kam, hatte Micaela mit gebracht. Kanafani hatte dieses Märchen für die achtjährige Lamis gedichtet. Es kam über Odile Neri-Kaiser, eine französisch-deutsche Kollegin zu Micaela auf französisch, wurde dann nach Gaza getragen und auf englisch erzählt, und reiste mit Asma Qwaider nach Deutschland, nach Hamburg. Asma hat dieses Märchen in wunderschöne farbige Transparente umgesetzt. Micaela zeigte die tief , leuchtenden Bilder und erzählte auf französisch, ganz einfach, mit falscher Grammatik, und das Märchen ist zu allen gekommen. Es fielen Rosen vom Himmel, so schön war es, trotz kurioser Störungen. Während der stimmungsvollen Erzählung klopfte ‚es in Abständen an die eiserne Tür des Klassenraumes: Sie ging auf und ein Tablett mit Kaffee und Wasser erschien, eine kleine gütig und dienend gebeugte ältere Frau folgte. Dies wiederholte sich dreimal. Gastfreundschaft geht vor.
Auf dem Rückweg spricht Roana mit zwei israelischen Soldatinnen, die den Eingang zu Maale Adumin, der riesigen Siedlung im Südosten von Jerusalem bewachen, Kaffeebecher in der rechten, die linke auf dem Maschinengewehr, das über der Schulter hängt. Drei junge Frauen. „Hätte ich die in Hamburg getroffen, wäre eine davon ein schüchternes Mädel.„ Roana erfährt von ihnen die Richtung, wohin wir fahren sollen, um den Checkpoint nach Jerusalem zu finden. Der ist aber noch weit und und wir müssen noch mehrmals fragen; bis ein netter Palästinenser mit ordentlicher Alkoholfahne einstieg, sich ein Stück mitnehmen ließ und uns den richtigen Weg zeigte. Europäische Pässe in der Hand werden wir durchgewinkt.
Kuriositäten am Wegrand
In Bethlehem prangt an einem großen herunter gekommenen Hotel etwas abseits der Geburtskirche der Name: „Naivity”. Das „t” ist verloren gegangen. Nur rund um die Kirche der Geburt Jesu ist Wohlstand und in einigen wenigen Hotels. Merry Christmas überall. In Bethlehem ist immer Weihnachten, und der Valentinstag äußerst beliebt sogar die Teddybären werden rot.
Auf dem Berg der Seligpreisungen, den wir am freien Tag besuchten, stand ein Brunnen mit einem Zitat von Jesus mit der Aufforderung „Kommt zu mir, damit ich von dem Wasser gebe, das nicht mehr dürsten macht”. Daneben ein Schild: „Trinken verboten”. Auf dem Weg zu den Chagall-Fenstern im Hadassah Krankenhaus von Jerusalem ein Wegweiser: „Impatients” Wohin man hier wohl die Ungeduldigen führt?
Wir trafen nach unserer Arbeit oben auf dem Ölberg, den Christen heilig, auf S hmutz im äußeren und auc’h im Innern. Ein „Restaurant Mount of Olives” arm, kaputt, verdreckt an einem Ort, aus dem man ein Juwel machen könnte. Schräg gegenüber ein Kebap- und Eisladen: „Heavens Gate”. Müllansammlung auf dem Stromkkasten. Später war zu hören: Es gibt keine Müllbehälter, weil die für Bomben benutzt werden könnten. Dort auch
bewaffente israelische Soldaten, am verwaisten Spielplatz und auf einem Mäuerchen am Parkplatz. Der Parkplatzfritze verlangte zu viel, bewachte gar nichts, sondern schlief in seinem Wagen, nachdem er uns für 5 Autos Gebühren abgenommen hatte, Als dann noch ein dicker Mann aus seinem teuren Gelände-Van kletterte, der den Eingang zur Himmelfahrtskirche versperrte und Wegzoll nehmen wollte, platzte Micaela der Kragen. Wir begnügten uns mit dem kostenlosen Anblick des Felsendoms, von dem der Prophet Muhammed zum Himmel aufgestiegen sein soll.
Wir sitzen an dem trostlosen Ort auf dem Ölberg, trinken Tee mit Salbei aus kleinen Plastikbechern, der etwa 2.50 Euro pro Portion kostet. Der Besitzer hockt am Notebook nebenan, sein ärmlich aussehender Sohn, der uns Mitleid heischend in dieses Haus gelockt hat, verschwindet an einem smarten phone fummelnd auf die Straße. Der Wirt des trostlosen Restaurants mit dem ungenutzten 1 Million Dollar Ausblick auf dem Dach sagt: „Die Juden sind ein Krebsgeschwür in diesem Land.„ Er spricht gern mit Charles, weil er Algerier ist und hat dabei ein diffuses Bruderempfinden. Er sagt, Charles sei zum Tee eingeladen, die beiden Frauen sollten aber bezahlen. Der Preis war ja auch so hoch, dass Charles’ Tee ohne weiteres mit bezahlt wurde. Essen möchten wir hier nichts. Es is·t unappetitlich.
Roana hat vorhin auf der Mauer bei Isarieh dies entdeckt: „Tobe a father reminds you on your heart”. Wie schön, wenn einer das so erlebt, dass er es an die Mauer schreibt. Wir finden, dass Märchen erzählen eine mütterliche Qualität hat und grenzenlos ist.
Es ist Sandsturm und die Sonne sieht weiß aus. Der halbe, der Altstadt von Jerusalem zugewandte Ölberg ist mit steinernen jüdischen Gräbern bedeckt. Wie, wenn irgendwann kein Platz mehr ist für Gräber? Nie wird eines aufgelöst, auf der ganzen Welt nicht.
Ein schmaleres Stück mit Ölbäumen und grünem Gras weiter im Osten lässt das Auge atmen. Wir hören, dass „Talitha Kumi”, wo wir ja wohnen, also die protestantische Kirche Deutschlands dort einen Ölbaumgarten besitzt. Das wunderbare Olivenöl kann erworben werden im Guesthouse von „Talitha” wie alle diese Schule nennen.
Im westlichen Jerusalem mieten Eltern freitags Räume einer Schule, die arabische und jüdische Kinder erzieht. Die Kinder dieser „Freitagsschule”, ebenfalls aus verschiedener Herkunft, bekommen dort deutschen Unterricht. Wir erzählen ihnen verschiedene Märchen. Helga erzählt die norwegische Zottelhaube, Micaela den kleinen Papagei, der aus Mitleid nicht ab ließ, gegen ein großes Feuer zu kämpfen, Roana von dem Glöckchen, das glücklich macht. Sie verschenkt kleine Glöckchem am Armband, sogar die Jungen wollen eins haben. „Am Freitag fand ich ganz berührend, wie ein kleines Mädchen nach den Erzählungen zu mir kam und nach meiner Adresse gefragt hat. Sie will mir gerne einen Brief schreiben und möchte am Sonntag schon mal anfangen. Viele von den Kindern haben gefragt ob sie ihren Freunden/Freundinnen und/oder Geschwistern ein Glöckchen mitbringen dürfen. Sie wollten ihnen dann auch die Geschichte erzählen. Und als mich ein Kind beim Hinausgehen wiedererkannt hat, erzählte sie mir gleich, dass sie die Geschichte schon weiter erzählt hat und das Glöckchen verschenkt.”
Wahat al Salam — Neve Shalom — Das Friedensdorf
Am freien Tag, auf dem Weg nach Nazareth zu unserem schönen Guest House SimSim (http://www.simsim-guesthouse.com/) machten wir halt bei dem Friedensdorf Wahat al-Salam Neve Shalom, wo Palästinensische und jüdische Familien zusammen leben in gleicher Anzahl, um für eine friedlichen Zukunft zu wirken. (http://wasns.org/) Es gibt dort eine Schule, wo die Kinder des Dorfes, aber auch aus der Umgebung zweisprachig erzogen werden und viele Tagungen zur Friedensarbeit. Ein wunderbarer Ort, an dem man auch Bungalows mieten kann. Eine Dame, die arabisch, englisch und hebräisch spricht, begrüßt uns freundlich und erzählt von diesem wichtigen Ort. Wir verbeugen uns vor dieser Gemeinschaft und ziehen weiter, um Kräfte für unsere Arbeit zu schöpfen und unseren eigenen Frieden suchend in diesen Verhältnissen, die einem glauben machen wollen, dass es möglich ist in Zigtausenden kleinen Parallelwelten sich das Leben einrichten zu können ohne Friedenswillen im sozialen Miteinander.
Und die vier Troubadoure? Zu ihnen passt das Zitat des Dichters Franz Milan „Auch Du bist nur ein Troubadour, der kommt und singt und wieder geht.”
Micaela Sauber
Impressionen von Roana Salome Falkenberg, die als Nachwuchserzählerin im Februar 2015 im Palästina-Team mitreiste
Der Wind fegt durchs Haar rüttelt und schüttelt
trägt den Mu’azzin von Berg zu Berg. Träume werden an die Wäscheleine gehängt für bessere Zeiten
für die Erinnerung an die Wurzeln oder aus träger Gewohnheit.
Der Schlüssel zu den Türen liegt vergraben So lange schon
dass Ort und Zeit mit dem Müllauto davon getragen wurden. Manche Fenster sind offen manche zerbrochen
notdürftig ausgebessert
und manche zum Schutz vor der Welt mit schweren Vorhängen bestückt.
Im Haus gehen die Licher an Stimmen wirbeln durcheinander und erzählen Geschichten
vom Anfang der Zeit.
Eine Bilderflut steigt von der Seele auf überschwemmt das ganze Land
während Bananenstauden und Olivenhaine vertrocknen.
Die Geschichten bleiben verlieren sich ineinander
während sich Schritte ihren Weg bahnen eingepfercht in Wegen aus Angst
und Mauern aus Schmerz.
Am Ende des Weges steht ein Schild mit “Leben verboten”
und “Freiheit unterliegt dem Gesetz”.
Der Glaube an einen Gott aus Gesetzen
und die Verantwortung liegt im Massenwahn.
So zart nur brechen die Blümchen unter dem Asphalt hervor während das Land unter den Mandelbäumen erblüht.
Während ich mein Schiff rüste und zu neuen Ufern segel.
Der Wind weht kräftig
die Träume flattern im Wind
und vor mir liegt der Ozean mit all seinen Schätzen.
Sonntag 15.2.2015
Nachdem ich alle meine 7 Sachen gepackt habe, mache ich noch das Auto sauber und treffe Fedi in der
Küche an. Wir stehen zusammen in der Küche, er lässt mich seinen frisch zubereiteten Kuchen probieren und ein Wort folgt dem nächsten. Die Situation der Palästinenser, seine Träume, Ängste --
Gott und die Welt. Es gibt ein paar sehr reiche Palästinenser, man kann sie an zwei Händen abzählen, die die Erlaubnisse haben sich immer und überall zwischen den besetzen Gebieten und Israel zu bewegen. Dafür haben sie aber auch ein Jahreseinkommen, was jenes der restlichen Palästinenser zusammen gerechnet übersteigt. Gerechtigkeit? Wo kommen wir hin, wenn wir all die schrecklichen Fakten aufzählen, die uns von den Medien um die Ohren geschlagen werden. Ich würde ganz sicher depressiv werden. Fedi stimmt mir zu. Er versucht sich auf schönere Dinge zu konzentrieren -- sein lecker und schön zu bereitetes Essen oder noch lieber seinen Traum: In Thailand ein Restaurant
aufmachen. Vor Jahren hat er eine ältere thailändische Lady kennen gelernt, die ihm eine Mutter wurde. Sie hat eine Reiseagentur und gemeinsam feilen sie an ihrer Idee ein Restaurant in Thailand aufzumachen. Etwas wagen, Mut stärkt das Herz! Und was braucht man mehr, wenn man von so viel Hoffnungslosigkeit umgeben ist? So viele Grenzen auf einem so kleinen Streifen von Land -- so viele Grenzen in den Köpfen. In Thailand -- Fedi begleite seine Wahlmutter bereits zweimal und lernte Freunde und Familie von ihr in Thailand kennen -- lieh er sich einen Roller aus und fuhr. 10 Stunden lang fuhr er einfach nur durch die Natur, durch Städte -- immer weiter und weiter. Das ist Freiheit! Das ist Frieden! Hier kann ich höchstens bis Jericho fahren (ca. 1 Stunde), für alle anderen Strecken brauche ich einer Erlaubnisse der Israelis. Für Christen gibt es an Weihnachten und Ostern eine Erlaubnis 10 Tage lang von 10 -- 19h nach Israel “einzureisen”. Wer nach 19h durch einen Checkpoint will, muss seinen Fingerabdruck dort lassen. Passiert dies drei mal, bekommt er nie wieder einen Erlaubnis nach Israel zu reisen. Ich wünsche Fedi aus tiefstem Herzen, dass sein Traum Wirklichkeit wird und er die Art von Freiheit und Frieden fühlen darf, nach der er sich sehnt!
Montag 16.2.2015
Im Educational Bookstore darf man sich selbst so lange parken, wie man
will! Herrlich, bei Kaffee und Kuchen lässt es sich noch besser leben, bzw. vorbereiten und nacharbeiten. La vérité et le conte -- un marriage très spécialement. Die Stunden ziehen vorrüber, wie die Wolken am verregneten Jerusalemhimmel. Dann gehts weiter nach Ramallah. Mohammad treffen, der einen Schlafplatz für mich haben soll. Als wir uns am Arafat Square treffen, begleitet in ein junger Koreaner.
Mohammad muss noch zu einem treffen, wir werden derweil im Ramallah Café geparkt. Dort sollen
Freunde von ihm sein, er wird später nachkommen. Im Ramallah Café sind bisher nur Männer, eine verrauchte Tabla--Stimmung beherrscht die Räumlichkeiten. Bald kommen auch die Freunde, eine Deutsche, eine Spanerien und eine Mexikanerin. Dann kommt noch ein Palästinenser und zwei weitere Couchsurfers. Bisher weiß noch keiner, wo wir schlafen werden. Ich pack meinen restlichen Whiskey aus und stoße mit mir selber an. Am Anfang ist die Stimmung noch höflich, bis bald die Handys ausgepackt werden und Fotos geteilt und gemacht werden. Wie kann man sich sonst später noch an all die Partys erinnern? Zwischendurch ergeben sich nette und lustige Gespräche. Und sogar interessante. Gefühlt arbeitet jeder zweite in Ramallah in einer NGO. Und dann sind da noch die tagesthemen. Die regelrechte Abschlachtung der 21 Ägypter in Libyen. Stille macht sich breit. Ich kann mir die Fotos und Videos nicht anschauen. Ich muss an mein Gespräch mit Fedi denken. Was passiert mit dieser Welt? Wo kommen wir hin, wenn wir uns mit all diesen Nachrichten beschäftigen? Morgen gibt es einen Trauermarsch in Ramallah, in Gedenken an die geköpften Kopten. Schließlich kommt Mohammad und wenig später auch Mohanad. bei Mohanad sollen wir schlafen, aber bis dahin steht uns noch ein weiter Weg bevor. Es wird geraucht, getrunken, geraucht, getrunken, Fotos hier und da. Zwischendurch kann ich mich zurücklehnen und jeden einzelnen beobachten. Immer wieder wahnsinnig faszinierend. Wenn ich nicht so müde werden würde.. Dann geht es noch weiter zu einer Freundin, die eine Ausstellung hat. Es gibt zwei Autos, das Gepäck wird verladen und wir mit. Die Austellung ist bei ihr zu Hause, nur wusste
sie davon nichts. Macht aber nichts. Die Bilder werden heraus gekramt und aufgestellt. Auf dem Boden in der Ecken liegen ein paar Kerzen. Ob wir gestört haben? Die Bilder sind wahnsinnig ausdrucksstark und geben tiefe Einblicke in das Leben einer palästinensischen Frau. Puuuh. Viele dunkle Farben, die Menschen gucken ernst, sehr stolz und auch sehr streng. Hinter einem Cellospieler leuchtet ein helles Licht. Auf einem anderen explodieren die Farben -- wie ein Vulkan oder auch ein Geschlecht einer Frau. Es wird gequatscht, bald ist Taybeh--Festival. Die lokale Bierbrauerei stellt nun auch Wein her. Konkurenz zu dem Star von Bethlehem. Dann werden alle wieder in die zwei Autos verladen. Jo muss noch unbedingt ein Bier trinken gehen und weil wir bei ihm im Auto sitzen, sitzen wir quasi alle in einem Boot. Er ist der Steuermann. Na gut, von La Vie hab ich schon gehört. Aber Geld ausgeben möchte ich nicht mehr. Lieber für ein Taxi heim. Aber auch das wird noch überstanden und dann gehts zu unserem Nachtlager. Es gibt ein Bett zu wenig, netterweise werde ich eingeladen mit Mohanad das Bett zu teilen. Zum Glück ist der Australier freundlich und bietet mir seine Matratze an, er schläft auf der Couch im Wohnzimmer.
Dienstag 17.2.2015
Es ist bitterkalt und um nächsten Morgen wach ich völlig übermüdet auf, aber mit der Gewissheit, das sich mir ganz schnell eine andere Unterkunft suchen muss. Wie wunderschön waren die letzten zwei Wochen! Immer eine schöne Unterkunft, ein Bett, Dusche, Frühstück, alles sauber bis total liebevoll eingerichtet und tagsüber immer ein Auto. Wunderbar komfortabel. Die Dusche ist verdreckt und kaputt, also wasch ich mir nur schnell den Rauch aus den Haaren und mach mich auf den Weg zum Goethe--Institut. Ich bin sogar zu früh, aber zum Glück langsam ein bisschen wacher. Audrey kommt, wir fahren los und -- grâce à la vie! -- sie hat Kaffee dabei und schöne Musik. Es wird warm im Auto und wir unterhalten uns angeregt über Gott und die Welt. Mein Wohlgefühl stellt sich langsam wieder her und als sie mir anbietet die nächsten Nächte bei ihr zu schlafen, fallen mir die restlichen Steine von den Schultern. Puuh. Als wir in Qalqilya ankommen, fängt es leicht an zu regnen. Aber es ist wärmer, ca. auf der Höhe von Herzeliya (nordwestlich von Ramallah), merkt man den Temperaturunterschied. Die Kinder freuen sich! Und nach ein bisschen Chaos, mehreren Tees und Kuchen kommt eine Klasse und die Bücher werden ausgetauscht. Die Zeitschriften müssen von einer Lehrerin konfisziert werden, weil sich Eltern über manche Inhalte beschwert werden. Der Bibliobus soll seinen guten Ruf nicht verlieren. Danach gehen wir in die 7. Klasse. Manche Kinder habe ich schon auf dem Schulhof getroffen. Sie kommen zu mir, umarmen mich, zeigen Herzen mit ihren Händen. Die erste Geschichte -- la vérité et le conte -- wird begeistert aufgenommen. Vokabeln werden angeschrieben und die Lehrerin -- selbst berührt von dem Inhalt -- übersetzt fleißig. Die zweite Geschichte -- la fourmi amoureuse -- kommt weniger gut an. Der Anfang ist bereits heikel. Le roi Salomon se trouve dans le désert. Aber der König Salomon ist hier der Prophet Suleiman. Ok. Als die kleine Ameise schließlich von der Auserwählten ihres Herzens spricht, darf Audrey nicht weiter übersetzen -- Habibi und Qalbi wird durch Ehemann ersetzt. Die ganze Geschichte ist etwas verwirrend für alle, die Moral der Geschichte ist laut der Lehrerin: “jeder stirbt eines Tages”. Mmmh. Die Klatschspiele werden wieder begeistert mitgemacht und als es klingelt, erbetteln die Kinder noch weitere fünf Minuten von der Lehrerin. Salam aleikum ist ein schöner Abschluss. Fotos, Umarmungen und dann geht es weiter zur 8. Klasse. Auch hier lauter aufgeweckte, interessierte Mädchen! Sie folgen der Geschichte gespannt, freuen sich und können vor allem nicht genug bekommen! Am Schluss sind Audrey und ich von einer Horde Mädchen umringt, die alle unsere Namen auf einem Blatt Papier geschrieben bekommen wollen. Unsere erste Autogrammstunden! Die nächste Stunde -- Tee kochen lernen -- fängt an und wir gehen zurück zum Bus um uns auf den Heimweg zu machen. Im Auto tauschen wir uns über die Märchen aus, die Kinder, die Lehrerin und überlegen kurz, was wir am nächsten Tag machen können. Audrey erzählt auch ein bisschen über das Goethe--institut. Der Kontakt zu den Mitarbeitern des Goethe--Institutes in Israel ist etwas schwierig.
Sogar hier ist die Grenze zu spüren, die Trennung. Bei dem letzten Treffen aller Mitarbeiter des Goethe-- Institues aus Palästina und Israel entstand eine kurze Auseinandersetzung, die diese Trennung deutlich macht. Die Projekte des Goethe--Institues sollten auf einer Landkarte mit Nadeln festgehalten werden, um einen Überblick zu bekommen und das Netzwerk sichtabr zu machen. Dabei kam nun die Frage auf, ob ein Unterschied zwischen den Projekten des palästinensischen und des israelischen Goethe--Institutes gemacht werden sollte. Darauf meldete sich ein junger deutscher Mitarbeiter des israelischen Institues zu Wort: “Aber das ganze Land ist doch Israel, ich verstehe nicht warum wir einen Unterschied machen sollten??” Bei Audrey angkommen, mach ich mich direkt auf den Weg zu meiner letzten Unterkunft.
Einer der Couchsurfer soll zu Hause sein und weil mir nun die letzten Nächte in den Knochen stecken, mach ich mich sofort auf den Weg meine Sachen zu holen um abends schön entspannt auf der Couch zu liegen. Tja, als ich nach einer knappen Stunde ankomme, ist keiner zu Hause. Die anderen Couchsurfer sollen sich ein anderes Quartier suchen, es gibt irgendein Problem. Ich fahr wieder zurück, hole mir überteuertes Mana’ish, futter bis mir übel ist und schlafe schließlich ein. Als ich aufwache, klingelt das Telefon, Mohammad hat unsere Sachen gepackt -- meine dreckige Unterwäsche flog irgendwo herum! -- und so treffen wir uns im Ramallah Café. Durch einen Hinterausgang gelangen wir auf einen Parkplatz, sammeln unsere Sachen zusammen -- einiges muss noch hin und ger getauscht werde. Eine skurile Situation, aufgerissene Rucksacke, notdürftig zusammengeknäulte Schlafsäcke, tausend Tüten und alles im Licht einer Taschenlampe. Schließlich ist alles halbwegs verpackt und ich mach mich mit dem Kanadier und der Australierin auf den Weg zu meiner Unterkunft, um noch die letzten Klamotten beieinander zu finden. Ich bedanke mich trotzdem für die Unterkunft -- kommt einfach im Ramallah Café vorbei, vielleicht können wir mal was zusammen trinken. Ok, mal sehen. Grad möchte ich nur noch schlafen..
Mittwoch 18.2.2015
Endlich mal wieder ausgeschlafen! Wie wunderbar, mit Tee und Keksen kann der Tag beginnen. Audrey und ich wollen uns in einer Stunde treffen, um nach Qalqilya zu einer französischen Jungenschule zu fahren. Ein langer Weg, aber ich freue mich! Als ich jedoch die Vorhänge öffne -- hoppala, hat es geschneit? -- nein, aber ein dichter Nebel liegt über den Häusern und es regnet Bandwürmer. Damit fällt unsere Tour in den Norden ins Wasser, denn wir die Straße ist ohnehin schlecht ausgebaut und bei solch einem Regen sammelt sich das Wasser in den Schlaglöchern und in der Flachen Ebene liegen ganze Straßen unter Wasser. Wir wollen schließlich nicht unser Leben aufs Spiel
setzen. Also wird kurz alles umorganisert und kurz darauf laufen wir zu einer Mädchenschule in Ramallah. Die Bibliothekarin empfängt uns herzlich und kurz darauf kommt die Hälfte der 2. Klasse zu uns. Sie sprechen kaum Französisch, aber Audrey übersetzt wie immer wunderbar und wir haben sehr viel Spaß miteinander! Bei der Bärenjagd sind alle ausgelassen und als die Bibliothekarin sponatn zum Bär wird und uns verfolgt, könnte die Stimmung nicht fröhlicher und ausgelassener sein! Zum Schluss singen wir noch Salam Aleikum und schon heißt es Merci et au revoire. Die Mädchen kommen und umarmen mich und wollen gar nicht gehen. Aber die Zeit ist um und die andere Hälfte der Klasse wartet schon. Ich freu mich noch bei so kleinen Kindern erzählen zu dürfen und auch mit den nächsten Kindern haben wir viel Spaß! Dann gibt es eine kurze Pause und -- Ramallah ist wirklich eine Blase, in der jeder jeden kennt! -- Audrey hat das fehlende Puzzlestück zu der Geschichte mit Mohammad und Mohanad.
Mohanad wurde von Frau und Kindern verlassen, die Asyl in Schweden beantragt haben. Durch Facebook hat der Bruder von Mohanads Exfrau ein Foto gesehen, dass Mohanad mit anderen Ausländern trinkend und rauchend in seiner Wohnung zeigt. Daraufhin kam er kurze Hand vorbei und hat ihn mit Worten und Fäusten zur Rechenschaft gefordert, da die Wohnung offiziell immernoch Mohanad und seiner frau gehört. Die Polizei kam und Mohanad saß ein paar Stunden im Untersuchungshaft. Das macht auch das Rauswerfen der
Couchsurfer und die Parkplatzsituation etwas verständlicher. Audrey und Verena (eine neue Praktikantin des Goethe--Institutes) gehen zurück zum Institut und ich hole mir noch schnell ein paar feine Sachen beim Bäcker. Dann kommt die dritte Klasse mit einer sehr strengen Lehrerin. Mit ihrer
Trillerpfeife um den Hals und Respekt einflößendem Blick hält sie die Kinder im Schach. Leider auch bei der Bärenjagd mit der anderen Hälfte der Klasse. Zwischendurch greift sie ein paar französische Wörter auf und freut sich -- wie schön, wenn nicht nur die Kinder Spaß haben! Gegen Ende wird es etwas anstrengend. Eine Französisch--Lehrerin hat keinen Klassenraum, daher unterichtet sie ihre Kinder auch in der Bibliothek, die Stimmen überschlagen sich, die Tür geht immer wieder auf und die Kinder werden unruhig. Zum Glück merkt das auch die Bibliothekarin. Wir alle versuchen etwas leiser zu sein und auf einander Rücksicht zu nehmen. Ich bekomme noch mehr heißen Tee und Kaffee und merke langsam, dass der -- zum Glück warme, aber auch ziemlich stickige -- Raum mir zu schaffen macht. Die Kinder machen toll mit und für mich ist es ein schöner Abschluss einer unvergesslichen Reise! Danke an Micaela, Helga und Charles für euche 1001 Geschichten, für eure Weisheit, euren Humor, eure Kraft und euer Vertrauen in mich! DANKE DASS ICH DABEI SEIN DURFTE! Danke an alle, die geholfen haben, dieses Projekt möglich zu machen! Für die Organisation und Unterstützung, das Interesse und die Aufmerksamkeit! Danke an alle die leuchtenden Kinderaugen, die schönen Momente, die unbezahlbaren Erfahrungen -- all das nehme ich mit in meinen Rucksack und bin froh, dass man es nicht in Kilos aufwiegen kann, denn dann müsste ich wohl ein paar Millionen Übergepäck zahlen!
Roana Salome Falkenberg
reiste schon als Jugendliche und junge Erwachsene gerne durch die Welt und lebte ein Jahr lang in Jerusalem. Sie studierte Ethnologie und Islamwissenschaft, lernte Arabisch und Hebräisch und war immer wieder für längere Zeit im Nahen Osten. Ihre Liebe zur Bewegung fing mit Reiten und Turnen an und endete im Zeitgenössischen Tanz -- Jahrelanges Training in Teamsport Handball und in der Capoeira, der Bezug zur Natur durch Segeln, Surfen, Joggen und lange Radtouren und der besondere Bezug zum Orientalischen Tanz prägten ihren Stil. Sie ist ausgebildete Tanzpädagogin und Choreografin, Geschichtenerzählerin und Astrologische Beraterin. Heute arbeitet und lebt sie als Tänzerin, Performerin und Erzählerin in Berlin.
Ein grenzenloses Palästina für die Erzähler des Bibliobuses
Viele Menschen auf der Straße kennen den Bibliobus schon, wenn er auf seinen Wegen durch Palästina zieht mit dem Slogan: “Wenn die Kinder nicht zu den Büchern kommen können, kommen die Bücher zu den Kindern.” 2011 entstand der Bibliobus aus einer Kooperation des Institut Français und des Goethe Institues aus Ramallah. Vom 7. bis zum 13. Februar 2015 begleitete der Bibliobus die “Erzähler ohne Grenzen” in zahlreiche Schulen und Einrichtungen: in Ramallah, Hebron, Jenin und Jerusalem. Neben den zwei deutschen Erzählerinnen Helga und Roana haben Micaela Sauber und Naceur--Charles Aceval an dem Abenteuer teilgenommen und unsere Fragen auf Französisch beantwortet.
© Bibliobus
Wie ist die Idee der “Erzähler ohne Grenzen” entstanden?
Micaela Sauber und Naceur--Charles : Die Idee der “Erzähler ohne Grenzen” wurde vor neun Jahren auf eine Initiative von Micaela in Deutschland geboren. In den letzten drei Jahren ist das Projekt gewachsen und viele professionelle Erzähler haben sich uns angeschlossen/sind hinzu gekommen. Das Ziel ist es die Märchen und Geschichten untereinander auszutauschen, sie zu teilen und gemeinsam mit den Zuhörern auf eine Reise zu gehen. Wir waren mit unseren Geschichten schon im Libanon, in Bosnien, Kroatien und Slowenien.
Ist es das erste Mal, dass ihr nach Palästina kommt?
Micaela : Ich kenne Palästina gut, ich war acht Mal im Gaza--Streifen und fünf Mal im Westjordanland um Kunstwerkstätten zu errichten und Märchen zu erzählen. Im Gaza--Streifen habe ich außerdem zwei Erzählerinnen ausgebildet, Tahany und Amani, die nun für “Erzähler ohne Grenzen” arbeiten. Sie erzählen jeden Samstag in den Schulen und im Kindergarten in Gaza--Stadt (?).
© Audrey Coguiec et Lucie Gallissot
Wie habt ihr angefangen zu erzählen?
Micaela : ich erzähle seit ungefähr 30 Jahren traditionelle Märchen und Sagengeschichten und das Erzählen wurde schnell zu einem leidenschaftlichen Beruf. Als der Krieg in Ex--Jugoslawien im Jahre 1992 ausbrach, bin ich nach Kroatien und Bosnien gefahren um den Alltag mit den Menschen dort zu verbringen und sie an die Heilkräfte der Geschichten zu erinnern. Meine erste Reise nach Ex-- Jugoslawien war eine Offenbarung, mein Herz begann so stark für das Erzählen von Märchen zu schlagen! ich habe dort Erzähler ausgebildet und Erzählrunden organisiert um Licht in den Alltag der Kinder zu bringen, der von dem Krieg überschattet wurde.
Naceur--Charles : Die Geschichten haben mich gewählt. Ich komme aus einer Nomadenfamilie, wo die Geschichten und die mündlichen Erzählungen einen großen Raum einnehmen. Ich erinnere mich, dass meine Mutter abends für uns Kinder im Kerzenschein Geschichten erzählte. Es war ihre Art uns die Angst vor dem Krieg und den Hunger vergessen zu lassen. Erst als ich 50 Jahre alt war, habe ich das erste Mal erzählt, in Frankreich, auf den Impuls eines großen französischen Erzählers, Bruno de la
Salle. Ich hatte außerdem das Glück, dass ich mit dem großen französischen Schriftsteller Henri Gougaud erzählen konnte und er mich ermutigt hat meinen Weg als Erzähler weiter zu gehen. Meine Schwester, die Schriftstellerin und Erzählerin Nora Aceval, ist eine wichtige Quelle der Inspiration für mich. Ich suche meine Geschichten entsprechend der Gefühle aus, die sie bei mir auslösen, sie zu erzählen ist wie ein Geschenk weiter zu geben.
Welche Botschaft wollt ihr den Kindern hier überreichen?
Micaela Sauber und Naceur--Charles : Es ist wichtig die Kinder zu ermutigen die Geschichten, die sie hören mitzunehmen und ihre eigene daraus zu machen. Die Worte verändern sich je nachdem von wem eine Geschichte erzählt wird. Und die Kinder tragen mit uns die Verantwortung, dass die Geschichten am Leben bleiben, dass sie mit den eigenen Worten weiter erzählt werden. Auf diese Art und Weise hören die Geschichten nie auf, sie reisen und verzaubern jeden, der ihnen begegnet/ bleiben als Wunder erhalten.
Was bleiben euch von den Erfahrungen in Palästina (besonders) in Erinnerung?
Micaela Sauber et Naceur--Charles : Jede Vorstellung war anders, jedes Publikum hat seine eigenen Gefühle ausgedrückt. Der Besuch in der l’Association France--Hébron war sehr besonders und eine sehr schöne Erfahrung. Das Lachen der Kindern und der Sonnenschein in ihren Gesichtern begleitet uns bis heute. Es ist eine Verbindung zwischen uns entstanden und die Geschichten haben einen Raum eröffnet, in dem wir uns austauschen und ein Stück Leben /Momente teilen konnten. Wenn man Geschichten hört, verlässt man den Alltag und taucht in eine gemeinsame Welt ein (das Universum).
© Lucie Gallissot
Um mehr zu erfahren, besuche uns auf Facebook Bibliobus oder auf auf unserer Internetseite l’Institut Français de Ramallah.